Handball zwischen Hoffen und Bangen

Auch die SG H2Ku Herrenberg ist in Corona-Zeiten auf Improvisation angewiesen

Kontaktsport in der Halle. Es gibt wohl kaum ein Szenario im Sport, welches momentan härter vom inzwischen etwas abgemilderten Lockdown betroffen ist als der Handball. Und so sind sich auch die Brüder Finn und Janne Böhm aus der Oberligamannschaft der SG H2Ku Herrenberg bewusst, dass sie wohl ziemlich die letzten Sportler sein werden, die wieder ohne Einschränkungen trainieren und spielen dürfen.

„Ich hätte nicht einmal etwas gegen Geisterspiele einzuwenden“. Der Satz von Finn Böhm zeigt mehr als deutlich, wie sehr sich die Handballer nach der geregelten Ausübung ihres Sports sehnen. Eine Einschränkung fügt der 22-Jährige Kreisläufer jedoch gleich an: „Natürlich ist es immer am schönsten, in einer vollen Markweghalle aufzulaufen“. Das Wohnzimmer der SG H2Ku allerdings liegt schon seit geraumer Zeit, bedingt durch die Corona-Pandemie, im ungewollten Dornröschenschlaf. „Drei Tage nach unserem Punktspiel gegen den TSV Neuhausen am 6.März haben wir noch trainiert, danach war alles anders“, erinnert sich Janne Böhm. Für den um knapp drei Jahre jüngeren der beiden Böhm-Brüder war es seinerzeit schon etwas erschreckend, wie schnell der ganze Sport durch den Corona-Virus lahmgelegt wurde.

Gerade für die beiden Eigengewächse, die bisher nur für die SG H2Ku in den Harztopf griffen, war der im April beschlossene Saisonabbruch besonders bitter, sollte man meinen. Rückraumspieler Janne Böhm hatte sich gleich in seinem ersten Aktivenjahr große Spielanteile auf der halblinken Position gesichert. Finn Böhm seinerseits war durch die Verletzung von Kapitän Sascha Marquardt plötzlich die Nummer eins am Kreis. „Die Chance hat er voll genutzt“, freute sich nicht nur sein Trainer Fabian Gerstlauer. „Letztlich ist Handball ein Teamsport und der Erfolg der Mannschaft steht an erster Stelle. Wichtig war nur, dass wir zum unfreiwilligen Ende mit dem zehnten Platz den Klassenerhalt aus eigener Kraft geschafft hatten“, betonen aber beide. Nicht nur dieses Statement, das fast aus einem Munde kommt, zeigt, dass die Brüder trotz junger Jahre schon einen festen Stand im Leben haben. Aber sowohl Finn, der Maschinenbau studiert, als auch Janne, der in der Ausbildung zum Mechatroniker steckt, waren – natürlich – nicht auf eine Situation wie sie sich momentan darstellt, vorbereitet.

„Wir hoffen natürlich, dass es im Herbst normal weitergehen kann, doch wissen tut dies aber natürlich niemand“, so Finn Böhm. Trainer Fabian Gerstlauer umschreibt die Größe der Herausforderungen unterdessen bildlich: „Wir sitzen alle im gleichen Boot. Allerdings ist dieses Boot momentan ein Kreuzfahrtschiff“. Und so war man im Lager der SG H2Ku Herrenberg schon früh auf Improvisation angewiesen. „Wir bekamen vom Trainer nach wenigen Tagen individuelle Trainingspläne. Im März wussten wir ja nicht, ob und wann es weitergeht“, war Janne Böhm seinerzeit noch hoffnungsvoll auf eine baldige Fortsetzung. Vier Wochen später, im April, war dann klar, dass die Saison vorzeitig beendet war. Das war aber natürlich nicht das Ende vom Sport. Zu den Einzeleinheiten gesellte sich nun wieder ein gemeinsames Agieren. Dies geschah dann allerdings mittels virtuellen Training. Coach Fabian Gerstlauer bittet seither seine Jungs einmal pro Woche vor den Bildschirm zu straffen Einheiten.

Aus der Not dieser Übungsform hat inzwischen auch der Gesamtverein eine Tugend gemacht. Seit Anfang Mai wird einmal pro Woche eine virtuelle und mannschaftsoffene Trainingseinheit angeboten – mit riesiger Resonanz. Mehr als zweihundert Teilnehmer schon bei der ersten Auflage bestätigten die Bemühungen des Organisationsteams um Vorstandsprecher Jan Rhotert, Marcel Kohler für den Jugendbereich sowie Vertretern der Männer- und Frauenteams. Für Janne und Finn Böhm ist die Teilnahme an solchen gemeinsamen Aktionen selbstverständlich. „Klar machen wir stets mit, wenn es sich einrichten lässt“, zeigen die Brüder auch nach außen, wie fest sie in der SG H2Ku verwurzelt sind. Das Handballtraining in der Halle ersetzt das aber alles nicht. „Wir haben gerade in spezifischen Punkten wie etwa Handlungsschnelligkeit und Zweikampfverhalten keine Erfahrungen, wie sich eine solch lange Pause auswirken wird“, blickt Janne Böhm in eine etwas ungewisse Zukunft.

Neben der sportlichen Seite gibt es natürlich auch noch den zwischenmenschlichen Aspekt. Wurde denn nun durch die bis weit in den Mai reichende straffe Kontaktsperre das gute Bruderverhältnis auf eine Belastungsprobe gestellt? Immerhin wohnen beide noch gemeinsam im elterlichen Domizil in Deckenpfronn. Hier können beide jedoch Entwarnung geben. „Die Wohnung ist groß genug, um sich auch einmal aus dem Weg zu gehen“, lacht Janne, der jüngere der Brüder. „Wir gehen eher gemeinsam in den eigens eingerichteten Fitnesskeller als alleine“, ergänzt der 22- jährige Finn. Insgesamt genießen beide das Familienleben mit den Eltern eher, als dass sie es als störend empfinden.

Was sowohl der Kreisläufer als auch der Halblinke allerdings sehr schade findet, sind die durch den Lockdown geschlossenen Grenzen. Denn eigentlich stand im Mai der gemeinsame Mannschaftsausflug auf eine bekannte spanische Ferieninsel auf dem Programm. Wie so vieles fällt aber auch das in diesem Jahr ins Wasser. Trotzdem betonen aber beide unisono, dass eine normale Saisonvorbereitung und ein Rundenstart zum regulären Termin der weitaus größere Wunsch wäre. Dann natürlich wieder in einer vollen Markweghalle.

-pg-